004/#THEMA: Wie du Konflikte ansprichst und löst

Irgendwas ist doch immer, worüber wir uns ärgern: Die Kollegen kommen zu spät, telefonieren in ohrenbetäubender Lautstärke, halten sich nicht an Absprachen oder klauen deinen privaten Kirschjoghurt aus dem Kühlschrank. Wie gehst du am besten so damit um, dass sich die Streitthemen klären und du danach trotzdem noch ein gutes Verhältnis zu deinen Kollegen hast? Darum geht es in dieser Folge. Und ich verrate dir, warum ein Mercedes-Manager Konflikte liebt.

Transkript der Podcastfolge

[00:00:03.060] 

Willkommen zum Podcast "Überleben unter Kollegen", ich bin Jobcoach Mathias Fischedick. Heute geht es darum, wie du Konflikte mit deinen Kollegen am besten ansprichst und löst. 

 

[00:00:15.950] 

Irgendwas ist doch immer, oder? Wir ärgern uns darüber, dass die Kollegen zu spät kommen, mit ohrenbetäubender Lautstärke telefonieren, sodass wir uns kaum konzentrieren können. Sie halten sich nicht an Absprachen oder das schlimmste: Kleuen dir deinen privaten Kirsch-Joghurt aus dem Kühlschrank, obwohl da schon fett dein Name draufsteht und drei Totenköpfe drauf gemalt sind.

 

[00:00:40.290] 

Wie gehst du am besten so mit den Streitthemen um, dass sie sich klären und du danach trotzdem noch ein gutes Verhältnis zu deinen Kollegen hast? Darum geht es jetzt. Und ich verrate dir, warum ein Mercedes Manager Konflikte so gar liebt. 

 

[00:00:58.950] 

Wenn du an das Thema Konflikte denkst, wie geht es dir dabei? Jubelst du innerlich? Bist du verzweifelt? Hast du Angst, möchtest du am liebsten was anderes machen und nicht drüber nachdenken. Ich tippe mal, wenn es dir so geht wie den meisten, dann hast du eher ein schlechtes Gefühl, wenn du an Konflikte denkst oder? Also wir klären sie dann lieber nicht, sondern schieben sie weg. Wir haben ja etwas Wichtigeres zu tun. Verdrängen ist eine Strategie. Dann bagatellisieren "Ist ja nicht so schlimm. Der hat ja nur nen Kratzer in mein Auto gemacht. Die andere Seite ist nur schön." Oder wie delegieren. Wir regen uns schön bei den Kollegen auf darüber, dass der andere Kollege doof ist, und hoffen, dass ein anderer das löst. Oder wir sitzen es einfach aus. Nach dem Motto "Wenn ich lang genug den Kopf in den Sand stecke, vielleicht löst der Konflikt sich ja von alleine." Und genau das ist der Fehler. Der wichtigste Grund bist du selbst, also deine Gesundheit. Denn die Uni Kopenhagen hat herausgefunden, wenn wir viele ungelöste Konflikte haben, dann schlägt sich das auf unsere Gesundheit nieder, genauer gesagt auf das Herz-Kreislauf-System. Und dadurch geht deine Gesundheit auf Dauer den Bach runter und es kann sogar dazu führen, dass dein Sterblichkeitrisiko um das Zwei bis Dreifache steigt. Also allein aus purem positiven Egoismus solltest du Konflikte möglichst schnell lösen. 

 

[00:02:24.810] 

Und der zweite Grund ist auch nicht so ganz unerheblich: Ungelöste Konflikte kosten das Unternehmen, für das du arbeitest, viel Geld. Im Schnitt sind es beim kleinen Unternehmen 10.000 Euro im Jahr, und bei großen Unternehmen können das bis zu zweistellige Millionenbeträge sein, die dadurch entstehen, dass Konflikte nicht gelöst werden. Das hat zum einen damit zu tun, dass die Mitarbeiter sich nicht mehr auf die Arbeit konzentrieren können. Im Schnitt sind es zehn Prozent der Wochenarbeitszeit, die dann damit verbracht werden, sich darüber zu ärgern, dass ein Kollege irgendwas falsch gemacht hat oder mit anderen, sich darüber auszutauschen, was schon wieder schiefgelaufen ist. Zehn Prozent pro Woche heißt: ein halber Arbeitstag geht nur dafür drauf. Das sorgt dafür, dass die Umsätze zurückgehen. Dann, wenn du ausfällt, weil du eben nicht mehr so fit bist, weil du so viel Stress hast, entstehen Krankheitskosten - Krankenfehltage. Und im schlimmsten Falle, wenn du kündigt oder ein Mitarbeiter dazu bringst zu kündigen, weil du mit dem Streit hast, dann heißt das für die Personalabteilung, dass sie einen neuen Mitarbeiter suchen müssen. Auch das kostet Zeit und Geld. Also zwei wichtige und triftige Gründe, Konflikte zu lösen. 

 

[00:03:34.890] 

Und je länger du wartest, desto schwerer wird es, eine gemeinsame Lösung zu finden. Es gibt einen Friedensforscher - ich finde ja schon den Begriff ganz schön - der Friedensforscher Friedrich Glasl, der hat mal analysiert, wie verschlimmern sich Konflikte, wenn du dich nicht kümmerst. Und er hat neun Stufen rausgefunden. Ich gehe die mal kurz durch die Stufen und geb dir Beispiele, dass du verstehst, wie schnell ein Konflikt wirklich ab in Keller gehen kann.

 

[00:04:05.700] 

Es fängt an mit einer leichten Spannung und Verhärtung. Man ist nicht mehr so ganz entspannt mit dem Kollegen, ist ein bisschen kritischer. Da kannst du noch eingreifen. 

 

[00:04:14.520] 

Dann nennt er den nächsten Schritt Debatte und Polemik. Das heißt, das ist so ein Schwarz-Weiss Zeichnen. Der Kollege, der Wert legt auf die Vorschriften, den nennst du vielleicht nur noch den Prinzipienreiter. Also du guckst nicht mehr genau hin, sondern der wird in so eine Schublade gesteckt. Stufe 2, da kannst doch noch was machen.

 

[00:04:31.710] 

Stufe drei ist: Taten statt Worte. So nennt Herr Glasl das. Das heißt, du diskutiert nicht mehr, du machst einfach. Du fragst den nicht mehr, ob irgendwas okay ist, du machst einfach! Bis zu dem Punkt, wenn du willst, kannst du selber noch eingreifen. Danach wird schwer. Der brauchst du meistens von außen jemanden, einen Coach oder einen Mediator oder im schlimmsten Fall einen Richter, der dich unterstützt. 

 

[00:04:54.630] 

Weiter in den Keller gehts mit Stufe 4. Die nennt Herr Glasl "Koalitionen". Das heißt, du suchst dir Verbündete, bildest so ein Lager und suchst dir Freunde, die sagen "Du bist in meinem Team, der Kollege, der ist der Doofe!" Und dann sammelt man so schön Waffen, gegen den ein.

 

[00:05:09.330] 

 Nächster Schritt: Gesichtsverlust. Da geht es nicht mehr ums Thema, da geht es darum, den Kollegen bloßzustellen. Also überlegt man, wo du grad bist bei deinen Konflikten, ob du schon jemanden versuchst, bloßzustellen. 

 

[00:05:21.790] 

Nächste Stufe: Droh-Strategien. Also wenn du dem Kollegen nicht mehr entspannt gegenübertrittst, sondern ihn bedrohst, wenn er nicht so agiert, wie du das willst, dann würdest du zum Chef gehen, oder dann würdest du ihm auch nicht mehr helfen, etc.  Und du merkst, es wird immer aggressiver. Du hast immer weniger das Gefühl, wir finden noch eine gemeinsame Lösung. 

 

[00:05:42.820] 

Nächste Stufe, Stufe sieben - die nennt Herr Glasl, finde ich sehr schön: Begrenzte Vernichtungsschläge. Das hört sich dramatisch an, aber das kann schon sein, dass man mal im Vorbeigehen einen kleinen Kratzer ins Auto des Kollegen macht oder dass man ihn anschwärzt oder irgendwas macht, was ihm so ein bisschen weh tut. 

 

[00:06:02.990] 

Es geht noch schlimmer mit Stufe acht, die heißt hier: Zersplitterung. Damit ist gemeint, dass du nicht mehr nur versuchst, dem Kollegen zu schaden, sondern auch seinen Freunden und seinen Kollegen. Also es heißt du attackiert nicht nur ihn, sondern auch sein Umfeld.

 

[00:06:19.290] 

Und Stufe neun, das ist wirklich die letzte Stufe, die heißt: Gemeinsam in den Abgrund. Da haßt du deinen Kollegen so abgrundtief, dass es dir total Pumpe ist, ob du selber - im übertragenen Sinne - mit drauf gehst. Da ist es dir auch egal - und wenn du denen so bloß stellst, dass du selber gefeuert wirst, ist dir egal, hauptsache, der kriegt sein Fett weg. Also, wenn du da ganz am Ende bist ... ja, da kannst du kaum selber noch was machen. 

 

[00:06:50.500] 

Und ich weiß nicht, ob du schon den Film gesehen hast "Der Rosenkrieg" mit Michael Douglas und Kathleen Turner aus dem Jahr 1989 - ist ein Klassiker. Das Schöne ist, wenn du den anguckt, kannst du alle Stufen, die ich gerade beschrieben habe, sehen und das Ende - "Spoiler-Alert" ist, dass Michael Douglas und Kathleen Turner gemeinsam an einem Kronleuchter hängen und gemeinsam abstürzen und gemeinsam sterben. Auch in der Ehe-Krise kannst du, wenn die nicht gelöst wird, genau diese Stufen finden, wie man sich gegenseitig vernichtet. Er sägt zwischendurch die Absätze von ihren Highheels ab, sie sperrt ihn in der Sauna ein. Er pinkelt auf den Fisch, den sie gerade für Gäste zubereitet, und macht das vor den Gästen. Also stellt sie bloß. Da findet man wirklich alles.

 

[00:07:39.830] 

 Und überlegt mal, wo du gerade bist in Konflikten mit deinen Kollegen. Die Essenz ist: Je eher du einen Konflikt ansprichst, desto leichter kommst du wieder raus aus der Krise und kommst zu einer Lösung. Und vielleicht hilft dir dabei der Blick: Ein Konflikt ist doch eigentlich nichts anderes als eine Meinungsverschiedenheit. Es heißt nicht, dass der eine Recht oder Unrecht hat, sondern ihr habt - jeder aus seinen guten Gründen - einfach unterschiedliche Meinungen. Und die Lösung ist eine Klärung. Und Klärung heißt: du interessierst dich für die Meinung des anderen, und er interessiert sich für deine.

 

[00:08:22.410] 

 Wie kiegst du denn das  hin, dass der andere dir zuhört? Wie kriegst du denn das hin, dass der andere deine Meinung versteht? Das machst du so - in vier Schritten:

 

[00:08:33.810] 

Schritt 1. Du erklärst dem anderen, was genau dich genervt hat, welches Verhalten! Also was genau hat der andere getan oder eben nicht getan, dass du dich geärgert hast? Total wichtig ist: Sei objektiv. Es ist ein Unterschied, ob du sagst "Du kommst immer zu spät." Das ist nicht objektiv, das ist verallgemeinert oder ob du sagst "In der letzten Woche warst du dreimal zu spät, und zwar mindestens 15 Minuten." Das ist objektiv. Also wenn es wirklich so war. Der Vorteil ist Wenn du es so objektiv machst, also als Beschreibung, kann der andere es nicht wegdiskutieren. Wenn du verallgemeinerst und sagst "Du warst immer zu spät!", kann andere sagen "Das stimmt doch gar nicht. Am Montag war ich doch pünktlich!" Also je konkreter und sachlicher du es beschreibst, desto weniger Druck wirst du von der anderen Seite kriegen. 

 

[00:09:28.130] 

Das Interessante ist, dass wir Menschen viel öfter etwas bewerten und eben nicht sachlich und nicht objektiv sind, als uns das bewusst ist. Ich sage dir mal ein paar Sätze und überleg doch mal, ist das jeweils eine Bewertung, oder ist es eine neutrale Beobachtung? Erster Satz "Du bist doof!" Bewertung oder Beobachtung? Das ist eine Bewertung. Weil Du stellst es als Tatsache dar, dass jemand doof ist, wenn du sagen würdest "Ich finde dich doof!" Dann stimmts wieder, weil es ja deine Meinung. Nächster Satz "Du stellst dich immer auf meinen Parkplatz!" Bewertung oder Beobachtung? Auch das ist eine Bewertung, weil das immer, wie ich eben schon mal sagte, das ist eine Verallgemeinerung. Immer wenn du verallgemeinerst, kann der andere zu Recht auf dich sauer sein, weil du übertreibst. Und wie ist es mit dem dritten Beispiel? "Du hast letzte Woche viermal den Locher von meinem Schreibtisch weggenommen." Ist das eine Bewertung oder eine Beobachtung? Das ist eine Beobachtung, denn du hast den Zeitraum klar definiert und wenn der wirklich, der Kollege oder die Kollegin, in dieser Woche viermal den Locher weggenommen hat, dann ist es eine ganz klare Beobachtung. Also Schritt 1 beschreibe genau sachlich: Was hat den Auslöser gegeben? Warum hast du dich geärgert über den Kollegen? 

 

[00:10:50.330] 

Schritt 2: Mach klar, was für ein Gefühl genau das ist. Also hast du dich geärgert, dass er das gemacht hat? Bist du frustriert? Bist du enttäuscht? Was auch immer. Und das ist ein ganz wichtiger Schritt. Der wird oft weggelassen, weil wir glauben, dass bei der Arbeit Emotion keine Rolle spielen. Ich habe darüber sehr ausführlich in Folge 3 gesprochen. Wenn dich das interessiert "Emotion im Job erlaubt oder nicht?" Antwort ist: Ja, sie sind erlaubt. Aber warum, dann hör dir nochmal Folge drei an. Also beschreibt das Gefühl: Welches Gefühl hat das Verhalten ausgelöst?

 

[00:11:22.700] 

Und Schritt 3 erkläre dem Kollegen, warum das Gefühl ausgelöst wurde. Denn da steckt ja was dahinter. Also rede über deine Werte und Bedürfnisse, die verletzt wurden durch das Verhalten. Also vielleicht hast du dich geärgert, weil dir Vertrauen wichtig ist. Und Vertrauen heißt ja, wenn wir uns verabreden für eine gewisse Zeit, dass der andere auch da ist. Vielleicht hast du dich auch geärgert, dass er, bei dem Beispiel, zu spät gekommen ist, weil die Effizienz wichtig ist. Und wenn das Meeting erst später anfangen kann, weil er zu spät ist, könnt ihr nicht all das schaffen, was du schaffen wolltest, also ist es für dich ineffizient. Auch das kann ein Grund sein, warum du dich ärgerst. Vielleicht merkst du jetzt schon, es können sich drei Leute über das Verhalten eines Kollegen ärgern, aber jeder hat vielleicht andere Gründe. Und wenn du dem anderen deine Gründe erklärst, dann kann er dich eher verstehen. 

 

[00:12:12.800] 

Dazu musst du natürlich erst einmal selber wissen, was deine Gründe sind. Es könnte auch ein Grund sein, dass du dich ärgers über Zuspätkommen, weil die Gerechtigkeit wichtig ist. Und du denkst, wir alle kriegen es irgendwie hin, dass wir pünktlich kommen. Und du nimmst dir eine extra Einladung und kommst später und das soll genau so in Ordnung sein? Das geht nicht. Kann auch ein Grund sein. Vielleicht ist dir Struktur wichtig und deswegen ärgert dich dass. Also du merkst, es gibt ganz viele Gründe. Überleg mal, was genau die Gründe sind, warum dich ein gewisses Verhalten des Kollegen ärgert.

 

[00:12:47.160] 

Schritt 4: Sag  den Kollegen, was du denn gerne hättest. Geh nicht davon aus, dass der Kollege das weiß, sondern sag ihm ganz klar "Ich hätte gerne, dass du das nächste Mal pünktlich bist. Das heißt für mich..." was auch immer es für dich heißt, dass er fünf Minuten vor der Zeit da ist, dass er genau zur Zeit da ist, dass er maximal fünf Minuten zu spät kommt. Weil Pünktlichkeit ist ein klassisches Streitthema, weil jeder hat eine andere Idee, was pünktlich einfach bedeutet. Also macht klar, worum es geht. 

 

[00:13:17.280] 

Wenn du es so angehst, produziert du ganz wenig Gegenwind. Der Grund ist, weil du entweder von Fakten sprichst, also dem Auslöser oder aus deiner Perspektive berichtest. Also wie's dir geht. Warum genau dich was ärgert, und all das sind Argumente. Da kann der Kollege nichts dagegen sagen. Also wenn du sagst "Du bist heute zehn Minuten zu spät gekommen, das hat mich geärgert." Dann wird der Kollege nicht sagen "Nö, das hatte ich nicht geärgert!" Es hat mich einfach geärgert. Also, wenn du von dir erzählst und sachlich bleibst, dann kann der Kollege nichts dagegen sagen. 

 

[00:13:50.810] 

Im besten Falle ist es so, dass der Kollege dich versteht und du dich auch für seine Aspekte interessierst. Also warum genau hat er sich denn so verhalten? Und vielleicht gibt's ja sogar einen Grund, den du sogar verstehen kannst. Und wenn er drüber redet, könnte eine gemeinsame Lösung finden.

 

[00:14:07.280] 

Ich fasse nochmal zusammen die vier Schritte. Erstens: Beobachtung - Was genau war der Auslöser? Sachlich bleiben, nicht bewerten. Zweitens: Welches Gefühl wurde bei dir ausgelöst? Drittens: Welches Bedürfnis, welcher Wert wurde verletzt durch das Verhalten? Und was wünscht du dir? 

 

[00:14:24.660] 

Eigentlich relativ simpel, oder? Aber warum geht es im echten Leben nicht immer so leicht, Konflikte zu klären? Der Grund ist wir kleben Rabattmarken. Jetzt wirst du dich fragen: Erstens, was sind Rabattmarken und zweitens, was haben Rabattmarken mit Konflikten zu tun? Also Rabattmarken sind im Grunde die old school Variante von Payback Punkten. Früher gabs an der Supermarktkasse so Heftchen mit sou Feldern, und bei jedem Einkauf hast du wie so Briefmarken bekommen, das waren die Rabattmarken, und die hast du eingeklebt. Und wenn das Heft voll war, dann hast du es eingelöst. Und dafür hast du dann ein Pfund Kaffee oder ein Kaffeeservice oder irgendwas anderes als Prämie bekommen. Und wenn wir uns über einen Kollegen ärgern, das erste Mal, dann fangen wir an, Rabattmarken zu kleben, weil wir das Thema eben nicht direkt ansprechen.

 

[00:15:20.620] 

Angenommen, ich bleibe beim Beispiel, weil es so schön einfach ist. Der Kollege kommt das erste Mal zu spät. Sagst du was? Nee, das ist das erste Mal zu spät gekommen,  sei mal nicht, drück mal ein Auge zu. Kannst du es vergessen? Nee. Was machst du? Du klebst die erste Rabattmarken. Der Kollege, kommt das nächste Mal zu spät. Sagst du was? Nee, der hat ja Geburtstag. Heute willst du ihm ja nicht vermiesen. Also hältst du die Klappe! Kannst du es vergessen? Nein, nächste Rabattmarken. Das nächste Mal denkst du "Ich hab keine Zeit. Das dauert immer so lange, so Themen anzusprechen. Mache ich anderes Mal."  Wieder eine Rabattmarken. So findest du immer Gründe, warum du es nicht sagst, und gleichzeitig klebst du eine Rabattmarken. Es ist zu heiß. Dir geht's nicht gut. Es ist zu schönes Wetter. Jetzt hast du sechs Mal nichts gesagt, dann sagst du auch das siebte Mal nix. Und du sammelt so lange diese Marken, bis das Heft voll ist.

 

[00:16:14.930] 

Und was machst du, wenn es voll ist? Dann löst du es ein auf einen Schlag. Und was sagt der Kollege. Sagt der  "Ach, vielen Dank!" Nee, der macht dich an und sagt "Weil ich einmal zu spät komme, machst du direkt so eine Szene!" Und was denkst du? "Weil ich einmal was sage, macht der so eine Szene!" Und die Konsequenz ist: Du holst dir ein dickeres Rabattmarkengefte, dann kannst du nämlich länger sammeln. Und dann löst du es wieder ein, wieder auf einen Schlag und diesmal ist der Druck, den du ausübt, noch größer und der Kollege versteht das gar nicht, woher das auf einmal kommt? Erkennst du dich gerade wieder? Interessant, oder? Warum machen wir das? Wir machen das, weil wir glaube ich alle als Kinder von unseren Eltern irgendwann mal gehört haben: "Nun streite dich doch nicht!" Das heißt, wir lernen von unseren Eltern: Konflikte sind schlecht. Also lernen wir: verdrängen es besser. Der Witz ist - in Anführungsstrichen - dass wir es damit noch schlimmer machen, weil wir einfach zu lange warten und dann explodieren wie ein Dampfdruckkessel. 

 

[00:17:23.930] 

Und die Lösung ist: Sobald du nur eine einzige Rabattmarken hast, löse sie ein, denn dann ist nicht so viel Druck dahinter. Wenn der Kollege das erste Mal zu spät kommt und du grummelst so ein bisschen. Dann geh doch direkt hin und sag "Kollege, du warst heute, fünf Minuten später als vereinbart, da. Ehrlich gesagt, ich habe mich so ein bisschen geärgert darüber. Mir ist Pünktlichkeit wichtig, weil ich Effizienz mag und ich Sorge habe, wenn wir zu spät anfangen, schaffen wir nicht alles." Wenn du das so entspannt sagen kannst, weil du noch entspannt bist, ist die Chance relativ hoch, dass der Kollege darauf eingeht.

 

[00:17:59.820] 

Ich würde jetzt gerne mit dir mal hingucken: Was ist denn das perfekte Ziel, beim Austragen, beim Lösen eines Konfliktes. Dass der eine Recht bekommt und der andere Unrecht? Nein, oder? Obwohl ... ein Seminarteilnehmer, fällt mir da immer ein, ich mache auch Seminare zum Thema Konflikte, der auch am Ende, noch nachdem wir das alles geübt haben und Verständnis geschafft haben und so weiter, am Ende sagte: "Ein guter Konflikt ist immer noch der, den ich gewinne." Ja, wenn du mit so einer Haltung in einen Konflikt rein gehst, das kann ich gut gehen, weil du so viel Druck ausübst. Also nur einer gewinnt ... wäre nicht das erste Ziel, was ich ausrufen würde. Na da denkst du vielleicht jetzt "Ja, dann ein Kompromiss!" Nee, es gibt noch was besseres: Konsens. Mein Ziel ist immer, einen Konsens zu finden. Der Unterschied zwischen Kompromiss und Konsens ist - Kompromiss heißt: beide Seiten verzichten auf etwas. Konsens heißt: beide Seiten - und jetzt kommt's - finden eine neue Lösung, die beide Seiten komplett zufrieden stellt.

 

[00:19:10.960] 

Klingt spannend, klingt vielleicht beim ersten Hören total unrealistisch. Ich mache dir gleich ein Beispiel und du wirst verstehen so unrealistisch ist das gar nicht. Vorher möchte ich nochmal gerne darauf eingehen. Warum ich glaube, dass ein Kompromiss eine faule Lösung ist, also keine, die ein wirklich happy macht. Klassisches Beispiel ist Gebrauchtwagen-Handel. Du gehst zum Autoplatz und sagst "Ich hätte gerne dieses Auto. Ich bin bereit, dafür 2.000 Euro zu zahlen." und der Verkäufer sagt "Nee, ich will 10.000 dafür haben." Und was wäre der Kompromiss? Ihr trefft euch in der Mitte. Jetzt muss ich gerade mal rechnen: 10.000 minus zwei sind acht, bei 6.000. "So wir treffen uns in der Mitte bei 6,000, ist doch ein fairer Kompromiss." "Ja!" Nee, ist es nicht. Denn du hättest auch sagen können "Für dieses Auto zahle ich einen Euro." Und der Händler hätte sagen können "Für dieses Auto möchte ich aber hunderttausend!" "Ja dann treffen wir uns doch bei 50.000. Ist doch genau die Mitte, ist doch ein fairer Kompromiss." Du merkst, ein Kompromiss heißt nicht, dass es wirklich fair ist.

 

[00:20:17.180] 

Bei dem Autohändler Beispiel wäre ein Konsens zu verstehen, warum der eine das eine haben will und der andere das andere. Also wieder die Hintergründe. Warum willst du was? Und vielleicht willst du nicht so viel zahlen, weil du das Gefühl haben willst, ich will einen super special Deal haben. Und der Autohändler möchte seinen Preis haben, weil er sagt "Ich will mir hier den Marktwert nicht kaputtmachen von meinen Autos." Wenn ihr so offen darüber reden würdet, könnte vielleicht der Konsens, also eine gemeinsame Lösung sein, dass der Autohändler sagt "Pass auf, du zahlst den vollen Preis, aber du kriegst von mir noch einen Satz Winterreifen und noch Fußmatten dazu. Und vielleicht noch so ein Schnee Schutz für die Scheibe." Das heißt, du hast ein Special Deal bekommen, nicht in Form von einem Preisnachlass, aber dadurch, dass du noch ein paar Extras bekommen hast, die eigentlich mehr kosten. Und der Autohändler hat trotzdem nach außen hin seinen Preis behalten. Das ist ein Beispiel für einen Konsens. 

 

[00:21:15.790] 

Ich möchte dir gerne noch ein anderes Beispiel erzählen, was relativ aktuell ist von zwei Mitarbeiterinnen, die sich über eine, auf den ersten Blick Kleinigkeit so zerstritten haben, dass ich extra in die Schweiz eingeflogen wurde als Coach, um den Konflikt zu klären. Wenn du das Thema hörst, wirst du denken, das kann nicht wahr sein. Das Thema war: Zwei Buchhalterinnen haben sich darüber gestritten, wie man Belege nummeriert. Die eine hat gesagt, Belege müssten mit einem Stempel nummeriert werden. Also die Stempel, die so weiter zählen. Da stellt man einmal die Startnummer ein. Bei jedem Stempel zählt das weiter. Und die andere sagte: "Nein. Belege werden von Hand nummeriert." Die haben sich so gestritten, dass es nachher zwei Lager gab. Du erinnerst dich an die Treppe von Herrn Glasl Koalition schon ziemlich weit unten, also die haben sich immer Verbündete gesucht, die gegeneinander gekämpft haben. Das hat wirklich den halben Betrieb lahm gelegt, weil es nur noch darum ging, diesen Streit irgendwie in Griff zu kriegen. Der Chef wusste sich nicht mehr zu helfen. Der hat mich dann irgendwann engagiert. Und im Grunde habe ich nichts anderes gemacht, als nach dem "Warum" zu fragen. Warum legt der eine Wert auf Stempeln und die andere Wert darauf, von Hand zu schreiben?

 

[00:22:33.660] 

Und die Kollegen, die gerne stempelt, die sagte "Mir ist es wichtig, das so zu machen, weil ich, als ich hier angefangen habe, gelernt habe: Hier werden Belege mit dem Stempel nummeriert." Und ihr sind Prinzipien wichtig, sie will Prinzipien folgen. Die andere Kollegin, die von Hand nummeriert, hat mir gesagt "Na ja, ihr ist das wichtig, weil ihr Effizienz wichtig ist. Und von Hand geht das viel schneller Belege zu nummerieren, als immer erst den Stempel auf die richtige anfangs Zahl zu stellen." Außerdem, hat sie gesagt, "Nervt das, dass ich mir öfter beim Stempeln ... beim Stempel einstellen, den Fingernagel abbreche." Das Spannende war, dass genau das der Wendepunkt war in unserem Gespräch. Denn die Stempel-Kollegin sagte dann "Ja, stimmt, das nervt mich auch. Ich breche mir auch öfter den Nagel ab." Und auf einmal hatten wir eine Grundlage, um zu gucken: Wie finden wir einen Konsens? Wie finden wir eine Lösung, die bedeutet: Es wird einem Prinzip gefolgt, ein und demselben. Es ist effizient und man bricht sich nicht den Fingernagel ab. Und dann haben die gemeinsam versucht, Lösungen zu entwickeln, bei denen das alles erfüllt ist. Eine Lösung war: Man könnte einen neuen Stempel kaufen, den man leichter einstellen kann. Das heißt kein Fingernagel mehr abbrechen. Es ist einheitlich, weil alles mit dem Stempel gemacht ist und es ist effizient, weil es schneller geht. Eine andere Lösung war: Man könnte vielleicht die Nummern in Zukunft ausdrucken - auf Etiketten. Das heißt, es sähe einheitlich aus und man hat sich auch dabei den Fingernagel nicht abgebrochen. Die Lösung, die Sie dann genommen haben, war, dass sie beide von Hand nummeriert haben. Denn dadurch ist es einheitlich. Man bricht sich nicht einen Fingernagel ab und die Stempel-Kollegin ... ehemals Stempel-Kollegin ... hat drauf bestanden: Aufgrund der Einheitlichkeit benutzen wir aber beide bitte dieselbe Farbe. Und das war die Lösung, mit der beide am Ende zufrieden waren. Also suche bitte möglichst nach einem Konsens, denn die beide am Ende glücklich seid und nicht immer das Gefühl habt. Ich musste irgendwas abgeben, musste zurücktreten, hab vielleicht auf mehr verzichtet als der andere. 

 

[00:24:46.180] 

Und damit das funktioniert, trenne immer Person und Verhalten. Du kannst vielleicht das eine Verhalten des Kollegen doof finden, aber denk immer dran: das ist ein Mensch, und es macht einen Unterschied, ob du mit ihm die Klärung gehst und denkst, der Kollege ist doof, oder ich finde den Kollegen doof, oder ob du denkst "Naja, der ist ganz okay. Aber dieses eine Verhalten finde ich nicht so toll." trenne Verhalten und Person.

 

[00:25:12.770] 

Zum Abschluss würde ich dir gerne noch von einer Studie berichten, die ich sehr spannend finde. Auch die kommt wieder aus Dänemark und da wurde untersucht: Wie müssen Teams zusammengestellt sein, damit sie möglichst erfolgreich sind? Und die Erkenntnis war homogene Teams, in denen alle dieselbe Meinung haben, sind nicht erfolgreich. Es braucht Teams, wo es auch mal Streit gibt, denn dadurch setzt man sich auseinander. Dadurch tauscht man Meinungen aus und je unterschiedlicher die Meinungen sind, desto besser sind die Lösung, weil man eben zusammen, indem man einen Konsens findet, neue Lösungen entwickelt.

 

[00:25:50.800] 

Und einer meiner Klienten, ein Mercedes-Chef ... Mercedes Manager, der sagt Wenn ich eine neue Idee in einem Meeting vorstelle und frage "Gibt es Einwände?" Und alle sagen "Nö, ist für mich super." Dann sagt er "Dann ist dieses Meeting noch nicht zu Ende." Weil er sagt Zum einen glaube ich nicht, dass es wirklich keine Einwände gibt. Und wenn ihr keine findet, dann habt ihr noch nicht genau genug hingeguckt. Also der schätzt Konflikte, der schätzt Auseinandersetzung, weil er genau weiß, nur dann werden die Dinge wirklich gut, weil man sie dann von verschiedenen Seiten betrachtet. Also sieh vielleicht Konflikte auch als Potenzial, um zu wachsen und zu lernen.

 

[00:26:37.760] 

Die Zusammenfassung: Je eher du Konflikte ansprichst, desto leichter sind sie zu lösen und je klarer du deinem Konfliktparteien erklären kannst, was genau dich geärgert hat und warum es sich geärgert hat, umso eher wird der andere Verständnis haben. Und wenn du dich dann auch noch für die Position und die Interessen dahinter des Anderen interessierst, dann werdet ihr eher eine gemeinsame Lösung finden. Und siehe Meinungsverschiedenheiten als Chancen, neue Perspektiven kennenzulernen und neue Aspekte zu sehen in den Dingen, die für dich eigentlich relativ klar sind. Und wenn das alles noch kein Grund war, mit Konflikten besser oder früher umzugehen als bisher, denk an deine Gesundheit! 

 

[00:27:22.160] 

Das war "Überleben unter Kollegen" der Podcast. Gib mir bitte ein Feedback! Was hat dir gefallen? Was kann ich besser machen? Und welche Themen soll ich in Zukunft behandeln? Und falls du mich auf einer anderen Plattform hören möchtest, dann findest du "Überleben unter Kollegen" überall da, wo es Podcast gibt.

 

[00:27:40.240] 

Und schreibt mir bitte auch eine Bewertung auf Apple Podcast und vergiss nicht zu abonnieren, falls du es noch nicht gemacht hast. Vielen Dank schon mal an alle, die das bisher gemacht haben und euer wirklich positives Feedback und die Themenvorschläge. Ich werde mich da so nach und nach durcharbeiten. Vielen vielen Dank! Und jetzt viel Erfolg beim "Überleben unter Kollegen".

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